Die Blauracke
Die Blauracke ist einer der auffälligsten Vögel Europas. Sein schillerndes Gefieder, das je nach Lichteinfall einmal blau und einmal grünlich schimmert, macht ihn zu einem der exotischsten Vögel unserer Breitengrade.
Als ich im Frühjahr in der italienischen Maremma auf einem Leitungsdraht zwei Blauracken (Coracias garrulus) entdeckte, war der Urlaub gerettet! Denn damit ging einer meiner grossen Träume in Erfüllung. Schon oft hatte ich in geeignet erscheinenden Gebieten Süditaliens nach ihr Ausschau gehalten. Jedoch immer ohne Erfolg. Diesmal hatte ich im Vorfeld grosse Anstrengungen unternommen um möglichst viel über diesen Vogel in Erfahrung zu bringen. Da der Bestand der Blauracke in Italien derzeit bei 1000-1500 Brutpaaren liegt, machte ich mir durchaus Hoffnungen. Am Ende konnten wir zwei Brutpaare finden. Ein voller Erfolg und eine grosse Freude!
Blauracke – Systematik:
Klasse: | Vögel (Aves) |
Ordnung: | Rackenvögel (Coraciliformes) |
Familie: | Racken (Coraciidae) |
Gattung: | Coracias |
Art: | Blauracke (Coracias garrulus) |
Beschreibung:
Die Blauracke besitzt eine Körperlänge von 30-32cm und erreicht eine Flügelspannweite von 66-73cm. Ihr Gewicht beträgt 130-180g. Im Sitzen erinnert sie bezüglich Statur und Grösse etwas an einen Häher oder eine kleine Krähe. Die Halspartie ist kurz und gedrungen, der Schnabel kräftig und leicht gehakt. Im Flug werden die charakteristischen, breiten, paddelartig abgerundeten Flügel sichtbar, die an einen Kiebitz erinnern.
Kopf, Vorderkörper, Schwanzfedern sowie grosse Teile der Flügel sind leuchtend Azurblau gefärbt. Unter bestimmten Lichtbedingungen schillern diese Farben auch türkisfarben. Der Rücken der Blauracke ist rostrot, die Spitzen der Flügel sind auf der Oberseite schwarz und auf der Flügelunterseite dunkelblau gefärbt. Die Schulterpartie schillert violett.
Von Coracias garrulus werden zwei Unterarten anerkannt: Im grössten Bereich des Verbreitungsgebiets lebt die Nominalform Coracias garrulus garrulus. Im südöstlichsten Teil kommt die etwas grössere und weniger kontrastreich gefärbte Unterart Coracias garrulus semenowi vor.
Verhalten der Blauracke
Blauracken sind typische Ansitzjäger. Wer sie beobachten möchte, hält am besten nach Pfosten, Leitungsdrähten oder freistehenden Bäumen Ausschau, auf denen die Vögel ruhig auf ihre Beute warten. Am frühen Morgen und am späten Nachmittag sind Blauracken etwas aktiver und man erkennt sie leicht an ihrem unverwechselbaren, kräftigen Ruderflug.
Da Blauracken ausserhalb der Zugzeit nicht besonders gesellig sind, trifft man sie meist paarweise in ihrem Revier an. Dort sitzen sie oft in Sichtkontakt, bewahren jedoch bis auf die Balz, die Paarung und die Brutaufzucht eine gewisse Distanz zueinander.
Balz und Brutaufzucht
Die Balz der Blauracken beginnt manchmal bereits im Überwinterungsgebiet und beinhaltet eine Abfolge gegenseitiger Verbeugungen und auffälliger Rufäusserungen. Auch die fleissige Übergabe von Brutgeschenken ist ein wichtiges Ritual. Am Brutplatz kommt es zu auffälligen Verfolgungsjagden mit gegenseitigem Höhlenzeigen. Ist die Wahl der Bruthöhle erfolgt, vollführt das Männchen spektakuläre Sturzflüge die der Revierabgrenzung dienen.
Blauracken sind Höhlenbrüter. Da sie selbst keine Hohlräume in Bäume machen können, sind sie auf das Vorhandensein alter Spechthöhlen oder natürlicher Baumhöhlen angewiesen. Oder sie graben ihre Bruthöhlen, ähnlich wie die Bienenfresser, in Lehm-, Löss- oder Sandsteinaufschlüsse. Zuweilen werden auch Nischen in Gebäuden als Bruthöhlen genutzt.
Die Eiablage erfolgt zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Das Gelege besteht aus zwei bis sieben weissglänzenden Eiern und wird von beiden Elternteilen, jedoch mehrheitlich vom Weibchen bebrütet. Nach 17-20 Tagen schlüpfen die Küken und werden von der Mutter 25-30 Tage gehudert. Das Männchen sorgt indessen für die Nahrungsbeschaffung. Danach verlassen die Nestlinge die Höhle, werden aber eine Zeitlang noch von den Eltern geführt.
Verbreitung, Lebensraum und Zugverhalten:
Die Blauracke brütet im östlichen, südöstlichen und südlichen Europa, in weiten Teilen Spaniens, an der französischen Mittelmeerküste und im westlichen Nordafrika. Die nordosteuropäischen Brutgebiete liegen in Ostpolen, einigen baltischen Staaten sowie im europäischen Russland. In Asien reicht ihre Verbreitung bis ins südliche Mittelsibirien und in den Nordwesten Irans. Die Unterart C.g.semenowi brütet im südwestlichen sowie den südlichen Teilen Zentralasiens.
Das bevorzugte Brutareal der Blauracke liegt am Rand lichter Eichen- und Kiefernwälder mit Anschluss an extensiv genutzte Flächen, welche reich an Insekten sind. Auch Parkgelände und Streuobstwiesen werden bei günstigen Bedingungen genutzt. Im Süden brüten die Vögel oft in flussbegleitenden Gehölzen sonst baumloser Gebiete.
Die Blauracke ist ein Zugvogel mit Zugdistanzen zwischen 4000 und 8000 Kilometern. Der Frühjahrszug beginnt Anfang März und das Brutgebiet wird jeweils etwa ab Anfang Mai bezogen, die Rückkehr in das Überwinterungsgebiet findet ungefähr Mitte August statt. Die Vögel überwintern zwischen 20° und 25° Süd in Afrika. Dort leben sie in der Dornbusch- und Akaziensavanne und ziehen entsprechend des jeweiligen Nahrungsangebots kurzräumig umher.
Gefährdung und Naturschutz:
International wird der Gefährdungsstatus der Blauracke seit 2005 auf der Vornwarnliste NT gelistet. Der Europäische Bestand liegt nach Schätzungen von 2009 bei 55’000 bis maximal 117’000 Brutpaaren, wovon maximal 25’000 Brutpaare in Staaten der EU brüten.
Die mitteleuropäischen Bestände sind akut vom Aussterben bedroht. In Österreich ist der Bestand von noch 300 Paaren in den 1950er Jahren, trotz grosser Anstrengungen und finanzieller Förderung, auf aktuell ein einziges verbleibendes Brutpaar eingebrochen. Deutschlands letzte Bestände sind spätestens 1993 erloschen. In der Schweiz und in Lichtenstein hat die Blauracke nie gebrütet und ist in der Regel nur im Vogelzug zu beobachten. Allerdings gab es bei der Meldestelle der Vogelwarte1 in den Jahren 2022 und 2023 eine auffällige Häufung gesichteter Vögel.
In Nordosteuropa, Südosteuropa und in der Türkei sind die Bestände ebenfalls stark rückläufig. Relativ stabil sind sie in Spanien- und in Italien sowie im mediterranen Frankreich ist eine Bestandeszunahme zu verzeichnen.
Quellen: